Patricia Hell sampelt. Der Beginn ihrer Aufzeichnungen wird durch Bilder, Atmosphärisches ausgelöst. Die Sicherheit, dass die Augen etwas finden, was in die Hände fließt, gab es schon für das Kind. Darauf kann sie sich verlassen, wenn sie sich umsieht und die Bilder aufnimmt, um sie in andere Bilder zu wandeln, zu übersetzen. Patricia Hell legt ein persönliches Archiv an. Sie hält den Moment nicht fest, sondern nur locker, bannt ihn nicht auf die Leinwand, sondern lädt ihn freundlich ein, sich in Linie und Farbe zu verwandeln. Manchmal zeichnet sie im Inneren Gesehenes auf, manchmal Eindrücke von außen.nIm Bild treffen sich diese Eindrücke: Die Frankfurter Straßenschlucht wird geflutet, Patricias Freude am Wasser stellt sich neben die Beobachtung des pulsierenden Stadtlebens. Sampelt 1
Patricia zeichnet. Warum atmen wir sofort eine Stimmung, wenn wir Patricias Bilder betrachten? Die Andeutungen aktivieren die zweite Bildebene, diesen Schirm hinter unseren Augen, die Projektionsfläche unsere eigenen Seherfahrungen. Unsere Augen selbst werden durch die Linie angezogen, die in das Bild hineingeführt. Die Linie kann uns anlocken, kann verdichtet und konkretisiert werden wie in den Autos auf der Brücke, dem Busch, dem Rücken des Hais - um an anderer Stelle frei zu wandern wie in den Nähmaschinen oder in „Encounter“. Alles ist erlaubt, so lange es die Qualität hat, zu fesseln. Alle Materialien einschließlich früherer Arbeiten werden verwendet, so wie in „Aquarium“. Zwischen den einzelnen Werkstücken darf gesprungen werden. Das, was da ist und dessen Wahrnehmung wirken auf die Verarbeitung ein. Deswegen hält Patricia manchmal inne, um zu spüren, was jetzt dran ist. Gleichzeitig arbeitet der Kopf, findet Details, die ausgearbeitet werden wollen, bringt sie miteinander in Verbindung. Ein Rhythmus aus Aneignung, Variation und Verwandlung entsteht, in ihrer Arbeit und auf den Bildern. Sampelt 2
Patricia gestaltet mit Farbe. Farbe wie in den bunten Hemden der Trucker. Ihre aus der Form geratenen Körper und Leben gehören zur anmutigen Gelassenheit der Mitfahrerin wie die zweite Seite einer Medaille; der riesige Lastwagen wird zur linearen Folie dieses poetischen Momentes im gemeinsamen Alltag on the road. So treffen sich Sichtbares, Erinnertes und Assoziiertes auf dem Bild und in unserem Kopf. Die Zeichnerin und die Malerin Patricia treffen sich und beschließen, dem Biker einen brennenden Busch beizugeben. Sie statten die Tänzer mit schwingenden Linien und dem behäbigen Farbklang der Fünfzigerjahre aus. Sie kollaborieren im Karussel, wenn die Linien - keine zuwenig und keine zuviel - mit dem Hauch von Farbe gemeinsam den kurzen beglückenden Schwindel der Fahrt beschwören. Sie lieben den Überschwang des Blind date und die Zurückhaltung der durchscheinenden Quallen in „shark“. Sie feiern das Leben und jeden Moment. Sampelt 3
Ellen Löchner ( Eröffnungsrede zur Ausstellung “Sampelt” in der Galerie Krüger Corporate Art in Koblenz, 2015 )
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